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Der gesunde Menschenverstand

Wie vernünftig sind wir tatsächlich?

Wir appellieren gerne an den gesunden Menschenverstand. Aber wer ausser uns hat dasselbe Verständnis?

Mark Whiting und Duncan Watts, zwei Computer-Sozialwissenschaftler von der University of Pennsylvania, haben kürzlich ihre Forschungsergebnisse dazu in der Zeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» publiziert.

Zunächst stellten sie fest, dass das Standardkonzept des gesunden Menschenverstands eine etwas zirkuläre Definition hat:

Der gesunde Menschenverstand ist eine Reihe von Behauptungen, denen vernünftige Menschen zustimmen. Vernünftige Menschen sind diejenigen, die einen gesunden Menschenverstand besitzen.

 

Um solche philosophischen Verwicklungen zu umgehen, wandten sich die Forscher an «Mechanical Turk», eine von Amazon betriebene Website, auf der Menschen Gelegenheitsjobs anbieten können.

Sie rekrutierten 2’046 Teilnehmer und baten sie, 50 Aussagen aus 4’407 Behauptungen zu bewerten, die plausiblerweise als vernünftig angesehen werden könnten.

Wie der gesunde Menschenverstand wohl vorausgesagt hätte, stellten die Forscher fest, dass

  • klar formulierte Aussagen über Fakten aus der realen Welt am ehesten als vernünftig eingestuft wurden (z. B. «Dreiecke haben drei Seiten», was per Definition wahr ist, oder «Vermeide engen Kontakt mit kranken Menschen»).

  • Je abstrakter die Behauptungen waren, desto weniger stimmten die Teilnehmer zu, dass es sich um gesunden Menschenverstand handelte («alle Menschen sind gleich»; «die Wahrnehmung ist die einzige Quelle des Wissens»).
Bei einer Aufteilung der Aussagen nach Themen stellten die Forscher fest, dass Aussagen zu Technik und Wissenschaft am ehesten als vernünftig eingestuft wurden, während Fragen zu Geschichte und Philosophie am seltensten als vernünftig galten.

 

Wenig Einfluss darauf, was als gesunder Menschenverstand angesehen wurde, haben

  • das Alter, das Geschlecht, das Einkommen und die persönliche politische Einstellung der Befragten.

Viel Einfluss hatten psychologische Messgrössen wie

  • die soziale Wahrnehmungsfähigkeit und die Fähigkeit, über die eigene Meinung nachzudenken.

Nachdem die Forscher die individuellen Meinungen untersucht hatten, untersuchten sie, wie der gesunde Menschenverstand in grossen Gruppen funktioniert.

Hier fanden sie viel weniger Übereinstimmung als erwartet.

Nur etwa 44 % der Aussagen wurden von mindestens 75 % der Befragten als vernünftig eingestuft. 

 

Bei einer strengeren Definition von gesundem Menschenverstand, bei der jeder mit einer Behauptung einverstanden sein muss, damit sie zählt, sank diese Zahl auf nur 6,6 %.

 

Wo genau die sinnvolle Grenze liegt, darüber lässt sich streiten. Aber wirklich «gesunder» Menschenverstand, so scheint es, ist eine schwer fassbare Sache.

Quellen: Common sense is not actually very common” The Economist 17.01.2024

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