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Riskmanagement & IKS News

Schmiergeld, Betrug, Insidergeschäfte

Lehren aus der Klage gegen den ex-CEO der SBB-Tochter Elvetino fürs Risk Management sowie für Personalauswahl und -führung

Am Montag, 21. August 2017 wurde Wolfgang Winter, CEO der SBB-Tochter Elvetino, freigestellt. Die SBB teilten mit, dass massive Vorwürfe im Bereich Compliance im Raum stünden. So auch die Nichteinhaltung von Kontrollaufgaben wie beispielsweise bei Freigaben von Rechnungen.

«Die SBB zeigen Winter an. Neben zweifelhaften Beratermandaten, Schmiergeldzahlungen und Insidergeschäften soll er sich auch mehrfach selbst eine Lohnerhöhung gewährt haben. Die Staatsanwaltschaft eröffnet eine Strafuntersuchung.»

Sieben Jahre später steht Wolfgang Winter vor Gericht, wie die NZZ unter dem Titel «Liebe, Gier und Trüffel: …» am 4. September 2024 berichtet.

«Die Anklage der Zürcher Staatsanwaltschaft schildert eine regelrechte kriminelle Karriere. Winter und seine Freunde sollen die SBB-Tochterfirma wie einen Selbstbedienungsladen benutzt haben. Weil alles gutgeht, machen die Männer immer weiter, jahrelang.»

«Der interne Beschaffungsprozess sei derart chaotisch gewesen, dass Winter ‘faktisch freie Hand’ hatte. Controlling? Inexistent. Öffentliche Ausschreibungen? Fehlanzeige. Die ‘Wolf-Gang’ – die Clique um den Chef – habe in der Elvetino das Sagen gehabt.»

«Ende Juli 2017 fliegt Winter mit seiner Partnerin und deren Sohn nach Hongkong, in der Businessclass. … Nach der Rückkehr stellt er dafür Spesen in Rechnung, und zwar laut Anklage doppelt: bei seiner eigenen Firma und bei Elvetino. …»

Personalauswahl und – führung

Eine Reihe von Untersuchungen hat gezeigt, dass man – in Kenntnis der persönlichen Verhaltensweisen von Kandidaten – vorhersagen kann, welche Führungskräfte auf Abwege geraten könnten. Bei der Einstellung – so die Schlussfolgerung – sollte deshalb vor allem der Charakter durchleuchtet werden.


Im Speziellen empfiehlt es sich abzuklären, ob ein Kandidat Anzeichen von Materialismus oder Missachtung von Regeln zeigt. In Unternehmen, die von Führungskräften mit übermässigen persönlichen Ausgaben geleitet wurden, fanden Forscher sowohl mehr Betrug als auch mehr unbeabsichtigte Berichtsfehler.

Materialismus, so wie ihn die Forscher definieren, bedeutet nicht unbedingt, dass man viele oder gar hochwertige Besitztümer hat; vielmehr beinhaltet er das ehrgeizige Streben nach Reichtum und Luxus, ungeachtet der Kosten für andere.

Kriminologische Forscher haben herausgefunden, dass Menschen, die selbst geringfügige Regeln missachten, wie z. B. die Missachtung von Verkehrsregeln, auf subtile Weise zum Ausdruck bringen, dass sie nicht glauben, dass Einschränkungen für sie gelten.

Werden diese Anzeichen ignoriert und eine Führungspersönlichkeit eingestellt, deren Leben ausserhalb des Büros Anlass zu Bedenken gibt, kann dies ein Unternehmen unnötigen Risiken aussetzen. Und das wiederum ist nicht nur bei der Einstellung von CEOs relevant.

Die gute Personalauswahl ist, um es mit Risk Management-Jargon zu sagen, die «1st line of defence» zur Verhinderung von Betrug und Veruntreuungen. Die «2nd line of defence» ist die Personalführung.


Obwohl das gegen aussen kaum zur Sprache kommt, sind es nicht nur Charakterschwächen oder Notlagen der betrügenden Personen, welche zur Tat führen.

Oft sind es auch Empathie- und  (Eigen-)Disziplinschwächen der vorgesetzten Person, welche die Tat erleichtern. Der Schlüssel zur Verhinderung, resp. Früherkennung von Betrugsrisiken ist deshalb die Personalauswahl und Personalführung. Und das trifft bis auf die oberste Führungsetage zu.

Einmal angestellt, gilt es durch Umsicht und Personalfürsorge unerwünschte Verhaltensweisen (in- und ausserhalb der Organisation) und mögliche Notlagen der Mitarbeiter zu erkennen. Das braucht eine Regelmässigkeit und Nähe des persönlichen Kontakts, was wiederum (Eigen-)Disziplin und Empathie bei den Vorgesetzten voraussetzt.

80% der Missstände decken Whistleblower auf.

«Ein Geschäftsleitungsmitglied von Elvetino schöpft Verdacht und leitet eine interne Untersuchung ein. Diese wird nach und nach alle anderen Ungereimtheiten zutage fördern.»

Es überrascht nicht, dass der Anstoss zur Untersuchung von einem achtsamen Mitarbeiter kam.

Interne Kontrollen allein können Menschen mit krimineller Energie nicht überführen. Der Umkehrschluss, dass damit Investitionen und Aufwände für ein IKS das Geld nicht wert sind, wäre ein Trugschluss. Ein gutes IKS erhöht die Delinquenz Schwelle für Innentäter substanziell und reduziert operative Risiken – vorbeugend oder nachgelagert durch Prozessoptimierungen.


Nichtsdestotrotz können Innentäter ohne aufmerksame und couragierte Mitarbeiter kaum entlarvt werden. Deshalb gehört zu einem wirkungsvollen Risk Management der garantierte Schutz der Hinweisgeber.

Ohne Hinweisgeberschutzgarantie fehlt ein effizientes Frühwarnsystem, um Risiken rechtzeitig zu erkennen und Sanktionen, Strafzahlungen und Reputationsschäden abzuwenden.


Fazit:
Wenn der Chef der deutschen Prüfungsgesellschaft PwC recht hat, wird das Risiko von Fehlverhalten und Betrug in Unternehmen weiter wachsen. Um so wichtiger ist eine sensitive Personalauswahl und eine sorgfältige Personalführung sowie ein unabhängiges internes Kontrollsystem und die Möglichkeit für alle, auf Missstände hinweisen zu können, ohne mit Vergeltung rechnen zu müssen.

Praxis-Tipp: Um Veruntreuungen im Unternehmen vorzubeugen, gibt es verschiedene Massnahmen, die in der Personalführung und der Personalauswahl getroffen werden können.

  1. Hintergrundprüfungen durchführen:

    Vor der Einstellung von Mitarbeitern sollten Hintergrundprüfungen durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass keine Vorstrafen oder andere Hinweise auf unethisches Verhalten vorliegen.

  2. Klare Verhaltensregeln und Ethikrichtlinien festlegen:

    Das Unternehmen sollte klare Verhaltensregeln und Ethikrichtlinien haben, die von allen Mitarbeitern befolgt werden müssen. Dies kann dazu beitragen, dass Mitarbeiter sich bewusst sind, was erlaubt ist und was nicht.

  3. Interne Kontrollen und Überwachung:

    Das Unternehmen sollte interne Kontrollen und Überwachungsmechanismen haben, um das Verhalten von Mitarbeitern im Auge zu behalten. Dies kann helfen, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

  4. Transparenz und Offenheit fördern:

    Das Unternehmen sollte eine Kultur der Offenheit und Transparenz fördern, in der Mitarbeiter sich sicher fühlen, Verstösse melden zu können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

  5. Stellvertretereinsatz und Rotation von Aufgaben anordnen:

    Durch eine Rotation von Aufgaben kann verhindert werden, dass Mitarbeiter zu viel Macht ansammeln und die Kontrolle über bestimmte Bereiche des Unternehmens erlangen. Zudem sollten Stelleninhaber in neuralgischen Phasen Ferien nehmen müssen, damit der Stellvertreter zum Einsatz kommt.

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