Riskmanagement & IKS News
Eine Risikokultur, die gelebt wird
Eine starke Risikokultur ist das Fundament eines effektiven Risikomanagements. Sie fördert nicht nur die Einhaltung von Compliance-Vorgaben, sondern stärkt auch die betriebliche Effizienz, die Resilienz der Organisation und das Vertrauen von Stakeholdern. Doch wie gelingt die Etablierung einer gelebten Risikokultur konkret?
- Führung muss vorleben: «Tone from the Top»
Die oberste Leitung prägt massgeblich die Risikokultur. Nur wenn das Topmanagement Risiken offen anspricht, Verantwortung übernimmt und auch bei unbequemen Entscheidungen Integrität zeigt, wird risikobewusstes Verhalten glaubhaft und nachgeahmt. Das bedeutet auch: Beteiligung an der Risikoidentifikation, Übernahme von Verantwortung für Kontrollen und Massnahmen und regelmässiges Feedback zur Wirksamkeit der internen Steuerung.
Praxis-Tipp: Weisen Sie jedem Mitglied der obersten Leitung eine aktive Rolle im Risiko- und Kontrollprozess zu, etwa durch Risk-Ownership für besonders kritische Risikofelder.
- Risiko = Gefahr undChance
Viele Risikokulturen kranken an einem übermässig compliance-getriebenen Verständnis: Risiken werden nur als Gefahr gesehen und möglichst vermieden. Unternehmerisches Denken hingegen bedeutet, bewusst kalkulierte Risiken einzugehen, um Chancen zu nutzen. Eine gesunde Risikokultur fördert diesen differenzierten Blick auf Risiko.
Praxis-Tipp: Verankern Sie in Entscheidungsdokumenten verpflichtend die Gegenüberstellung von Chancen und Gefahren für jede wesentliche Entscheidung.
- Mitarbeiter aktiv einbinden
Risikokultur ist kein Top-down-Projekt. Sie lebt davon, dass Mitarbeitende in ihrer täglichen Arbeit Risiken erkennen, ansprechen und managen. Dazu müssen sie Risiken verstehen und sich sicher fühlen, diese offen zu adressieren.
Praxis-Tipp: Führen Sie regelmässige Risikodialoge auf Abteilungsebene ein. Diese kurzen Besprechungen schaffen Raum für das gemeinsame Reflektieren aktueller Risiken und Kontrollen.
- Fehler- und Feedbackkultur stärken
In einer reifen Risikokultur sind Fehler nicht tabu, sondern Lernchance. Mitarbeitende müssen wissen: Wer ein Problem meldet, wird unterstützt, nicht sanktioniert. Das fördert Frühwarnsysteme und verhindert Eskalationen.
Praxis-Tipp: Machen Sie Fehleranalysen sichtbar. Zeigen Sie in internen Medien, welche Lehren gezogen wurden und wie dies zur Verbesserung beigetragen hat. Das stärkt Vertrauen und Motivation.
- Risikokultur in die Governance verankern
Governance- und Risikostrukturen müssen ineinandergreifen. Gute Governance definiert klare Zuständigkeiten und Prozesse, über die Risiken systematisch gesteuert und kommuniziert werden. Risikokultur zeigt sich auch in der Qualität von Entscheidungsprozessen.
Praxis-Tipp: Integrieren Sie Risikofragen in alle strategischen Planungstools und machen Sie sie zum festen Bestandteil von Sitzungs-Agenden.
- Anreizsysteme überdenken
Wer risikobewusstes Verhalten will, darf nicht kurzfristigen Erfolg über alles stellen. Entlohnungs- und Beförderungssysteme, die ausschliesslich auf Zielerreichung und Budgetüberschreitungen setzen, belohnen riskante Grenzgänge.
Praxis-Tipp: Verknüpfen Sie variable Vergütungen mit Kriterien wie Einhaltung von Kontrollen, Qualität von Risikobeurteilungen oder konstruktivem Hinweisgeberverhalten.
- Reputationsrisiken ernst nehmen
Reputationsrisiken entstehen oft durch Mängel in der gelebten Risikokultur. Fehleinschätzungen, nicht adressierte Hinweise oder fehlende Kommunikation können gravierende Auswirkungen haben.
Praxis-Tipp: Etablieren Sie eine regelmässige Bewertung der «Reputationswirkung» von operativen Risiken. Wer potenzielle Aussenwirkung mitdenkt, trifft fundiertere Entscheidungen.
Fazit:
Eine gelebte Risikokultur ist kein Nebenprodukt von Regeln und Prozessen, sondern muss aktiv gestaltet, kommuniziert und vorgelebt werden. Sie beginnt bei der Führung, erfordert partizipative Formate, konsequente Kommunikation und systematische Einbettung in Governance und HR-Prozesse. Unternehmen, die Risikokultur zur Führungsaufgabe machen, stärken nicht nur ihre Sicherheit – sondern auch ihre Innovationskraft.
Quellen:
- Riskmanagement & IKS News: «Positive Risikokultur», swissaxis AG, September 2024
- Riskmanagement & IKS News: «Compliance und Unternehmenskultur», swissaxis AG, Mai 2024
- Riskmanagement & IKS News: «Reputationsrisiken», swissaxis AG, April 2022
- Riskmanagement & IKS News: «GRC-Konzepte als Sackgasse», swissaxis AG, August 2022
- Riskmanagement & IKS News: «Governance und Risikomanagement», swissaxis AG, Oktober 2023
- DGQ Blog: «Gelebte Risikokultur als Basis eines professionellen Risikomanagements», 2023