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Riskmanagement & IKS News

Das Risiko «Menschliche Schwäche»

Mehr als zwei Drittel der Schäden durch Betrugsfälle in Unternehmen werden von eigenen Mitarbeitern verursacht.

Typische interne Täter sind in der Regel gut gebildet, zwischen 40 und Mitte 50 Jahre alt, in leitenden Positionen im Finanzbereich tätig und arbeiten seit mindestens zehn Jahren im Unternehmen.

Durch ihre lange Betriebszugehörigkeit geniessen sie hohes Vertrauen und kennen die Schwachstellen in den Kontrollsystemen. Obwohl sie selten zuschlagen, verursachen sie oft erhebliche Schäden.

Menschliche Schwächen

Die Täter sind selten Robin Hoods. Die Motive für interne Betrügereien reichen von

  • Spielsucht über Habgier,
  • luxuriösen Lebensstil und finanzielle Notlagen bis hin zu
  • Geltungssucht, mangelnder Wertschätzung, Rache und persönlichem Vorteil.
 

Die meisten dieser menschlichen Schwächen sind im Charakter angelegt. Deshalb hat die Personalauswahl bei der Verhinderung von Betrug eine (leider oft unterschätzte) hohe Bedeutung. Die Charaktereigenschaften insbesondere von Führungskräften sollten bei der Einstellung sorgfältig geprüft werden.

Finanzieller Schaden vs. Reputationsschaden

Oft ist der finanzielle Schaden für ein Unternehmen verkraftbar. Wenn aber ein Unternehmen einen Schaden an seinem Ruf erleidet, kann es mit erstaunlicher Geschwindigkeit zusammenbrechen. Mit den Worten von Benjamin Franklin: «Es braucht viele gute Taten, um einen guten Ruf aufzubauen, und nur eine schlechte, um ihn zu verlieren.»

Bei Aufdeckung eines Fehlverhaltens empfiehlt sich deshalb, als allererstes das Management des Risikos, das sich aus einer möglichen Beschädigung des Rufes des Unternehmens infolge einer negativen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit (z.B. bei Kunden, Geschäftspartnern, Aktionären, Behörden) an die Hand zu nehmen.

Kontrollsysteme vs. Kultur

Um schwarze Schafe im Unternehmen zu verhindern, sind Massnahmen wie regelmässige Kontrollen und Audits leider unzureichend.  

Nützlich sind eine vertrauensvolle Unternehmenskultur und offene Fehlerkommunikation. Die für die Prävention von internen Wirtschaftsstraftaten wichtigste Massnahme ist aber gleichzeitig die verpönteste.

Whistleblowing

Whistleblowing führt am häufigsten zur Entdeckung von «Innentätern», da diese ihre kriminellen Handlungen fortsetzen, solange sie unentdeckt bleiben.

Organisationen mit funktionierendem Meldesystem decken bis zu 80% der Missstände durch Whistleblower auf. Ganz wichtig zu wissen: 55 % der Hinweisgeber sind Mitarbeiter.

Hinweisgebersystem funktionieren aber nur, wenn der hinweisgebende Mitarbeiter sicher ist, dass er seine Stelle nicht verliert. Es ist deshalb entscheidend, für den Schutz von Hinweisgebern zu sorgen.

Die Bedeutung von Hinweisgebern wurde bereits 2007 von der Eidgenössischen Finanzkontrolle betont. Der Whistleblowing Report 2021 der Fachhochschule Graubünden bestätigt, dass ein funktionierendes Meldesystem entscheidend ist.

In der Schweiz waren 32,5% der Unternehmen im Jahr 2020 von illegalem und unethischem Verhalten betroffen. 27,6% der befragten Unternehmen konnten dank einer Meldestelle über 80% des finanziellen Gesamtschadens aufdecken.

Petzer und Nestbeschmutzer

Jede Organisation, die ernsthaft Risikomanagement betreiben möchte, sollte eine Meldestelle und einen Prozess für Hinweisgeber implementieren. Der Prozess sollte es den Mitarbeitern ermöglichen, anonym und ohne Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber ihr Wissen weiterzugeben.

Der Hinweisgeber darf nicht befürchten müssen, als Nestbeschmutzer stigmatisiert zu werden. Im Gegenteil, ein gut in die Unternehmenskultur eingebettetes Meldesystem unterstützt die Zivilcourage der Hinweisgeber.

Wenn sich die Mitarbeiter allerdings nicht sicher fühlen und befürchten, als Petzer gebrandmarkt zu werden und sogar die Stelle zu verlieren, wird die Meldequote tief bleiben. Meldesysteme, die funktionieren verzeichnen pro Jahr 10 Meldungen auf 1000 Mitarbeiter, wobei nur jede zweite Meldung zur Aufdeckung eines Fehlverhaltens führt.

Fazit: Die wichtigsten Massnahmen, um Betrug vorzubeugen sind Hintergrundprüfungen, klare Verhaltensregeln, interne Kontrollen und die Förderung von Transparenz. Unternehmen können durch implementierte Massnahmen dazu beitragen, eine integre und ethische Umgebung zu schaffen.

Einfache sofort wirksame organisatorische Massnahmen sind Stellvertretereinsatz und Aufgabenrotation. Ein schwarzes Schaf wird haufenweise «gute» Gründe vorbringen, warum er unersetzlich ist, und gleichzeitig das Zeichen, eine diskrete Untersuchung einzuleiten.

Da menschliche Schwächen die Wurzel von Betrug sind, ist ein empathisches Interesse der Vorgesetzten am Verhalten der Mitarbeiter entscheidend, um das Risiko zu minimieren. Aufmerksame Vorgesetzte spüren, wenn sich Mitarbeiter in Situationen manövrieren und das Schlechte in ihrem Charakter die Oberhand gewinnt.

Ohne Garantien für den Schutz von Hinweisgebern gibt es kein effizientes Frühwarnsystem, um Innentäter-Risiken rechtzeitig zu erkennen und Sanktionen, Strafzahlungen und Reputationsschäden zu vermeiden!

Quellen:

«Der Faktor Mensch: Beobachtungen aus der Sicht eines Forensic-Dienstleisters» Vortrag von Matthias Kiener, Leiter Forensic Services, Mazars SA anlässlich der Risk Management & IKS-Konferenz vom 16. November 2023

„Nicht Petzer, sondern Diener des Arbeitgebers“ NZZ am Sonntag, 20.02.2022

„Mehr Schutz für Whistleblower“ Börsen-Zeitung, 28.03.2022

„Whistleblowing mit abschreckender Wirkung“ Max-Plack-Gesellschaft, 21.02.2022

„Whistleblowing Report 2021» Fachhochschule Graubünden, Oktober 2021

„Kriminellen Mitarbeitern auf der Spur“ Springer Professional, 07.02.2023

«When Hiring CEOs, Focus on Character» HBR, Aiyesha Dey, Juli-August 2022
„Das Risiko von Fehlverhalten und Betrug in Unternehmen wächst“ Handelsblatt, 22.05.2023

«Wenn das Risikomanagement versagt – Blogbeitrag» Netzwerk Risikomanagement, 30.07.2023

«Reputation and Its Risks» von Robert G. Eccles et al., Harvard Business Review, Februar 2007

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